Nein, der Dicke bin ausnahmsweise nicht ich und der wohlgeformte Polizist aus dem bayrischen Kurbad, der eine eigene Fernsehserie hat, ist auch nicht gemeint. "El Gordo", der Dicke, ist der Hauptgewinn der spanischen Weihnachtslotterie, die, mit einer Gewinnausschüttung von beispielsweise über 2 Milliarden Euro (in Worten: ZWEI MILLIARDEN!) im Jahr 2006, als die größte Veranstaltung dieser Art auf der Welt gilt.
Nachdem ich unser typisch spanisches Weihnachten ja im letzten Tagebucheintrag schon detailliert beschrieben habe, ist mir doch aufgefallen, was ich da noch vergessen habe und deshalb heute noch erwähnen möchte. Die große Weihnachtslotterie "El Sorteo de Navidad". Ich habe zufällig im Internet einen Nachrichtenbeitrag des öffentlich-rechtlichen Fernsehsenders in Deutschland gesehen, bei dem man mit dem zweiten Auge angeblich besser sieht und ehrlich gesagt ist das schon haarsträubend, was da so recherchiert wird. O-Ton: "Die Spanier bildeten Tippgemeinschaften, weil die Lose so teuer wären."  Ja, genau betrachtet kostet ein Los beispielsweise 38000 Euro, wenn man sieht, wie das ganze System funktioniert. Jede einzelne Losnummer wird in zum Beispiel 190 Serien unterteilt, das heißt, die Nummer gibt es dann 190 mal. Das  einzelne  ganze Los kostet dann 200 Euro. Dieses ist aber grundsätzlich unterteilt in 10 "Décimos" (10tel Lose), die einzeln zu einem Preis von 20 Euro verkauft werden und nur Firmenchefs, Vereine, Institutionen oder Stammtische kommen normalerweise auf die Idee, sich ganze Lose oder Losserien zu kaufen. Die Chefs um sie als Weihnachtsgeschenke zu verteilen und die Vereine um ihre Kassen aufzubessern. Da werden dann die Décimos meistens noch einmal durch Zehn geteilt und die so genannten "papeletas" für einen Betrag von etwa 2,50 Euro verkauft, 2 Euro für das Los, der Rest für die Vereinskasse. Natürlich ist dann der Gewinn ebenso geteilt. Hat man beispielsweise einen "Reintegro", das heißt die Endnummer des eigenen Loses stimmt mit einer der Gewinnernummern überein, erhält man auch nur 2 Euro zurück. Um die Weihnachtzeit machen dann die Vereinsmitglieder mit gedruckten Blöcken die Runde und verkaufen ihre Lose. Manchmal werden auch noch Geschenkkörbe oder andere Sachpreise als Sonderzugabe mitverlost. In einem Bericht im spanischen Fernsehen war zum Beispiel eine Bar zu sehen, in die man mit viel Mühe und in Einzelteilen ein Auto gepackt hat, welches als sozusagend "interner" Hauptpreis von den Barbetreibern neben teueren Seranoschinken und anderen Sachen mit ihren Losen unter den Stammgästen verspielt wurde.

Eine weitere Eigentümlichkeit der spanischen Weihnachtslotterie ist der Aberglaube der Spanier. Es gibt ein paar Lottostellen, die kaum noch mit dem Kundenandrang fertig werden, da jeder unbedingt ein Los von der Verkaufsstelle "El Gato Negro" (Schwarze Katze) in Madrid oder aus dem katalanischen Ort Sort, auf deutsch "Glück" haben will. Dort gibt es eine Lottostelle vor der die "Bruja de Oro" (die goldene Hexe) steht, von der die Spanier glauben, daß das Berühren der Figur in Beziehung auf einen großen Gewinn mindestens so selig macht, wie ein Streicheln über den Bauch einer Buddha-Statue. Nebenbei gesagt ist die Trefferquote in diesem Laden tatsächlich besonders hoch, was ja nicht sonderlich Anlaß zu Verwunderung gibt, wenn man bedenkt, daß der Verkauf von Losen dort eben auch überdurchschnittlich hoch ist. Ebenso gefragt sind die Verkäufer, die im Vorjahr einen großen Gewinn ausgegeben haben. Ich persönlich frage mich da nur, wie hoch eigentlich die Chance ist, das sich so etwas zwei Jahre hintereinander wiederholt.

Unsere Family hatte diese Ziehung mehr als 10 Décimos und auch das scheint eine spanische Unsitte zu sein: da gibt es Verwandte und Freunde in Galicien und anderen Landesteilen, denen man jeweils ein Los aus Alicante schickt und die dafür Lose aus La Coruña oder Madrid zurückschicken. Das waren bei uns eben 10 Lose. Dann arbeiten bei meiner Frau im Geschäft noch diverse Vereinsmitglieder von verschiedenen "Baracas", den Vereinen, die die Johannisfeuer zur Sommersonnenwende ausrichten. Da nimmt man auch mal noch ein paar Papeletas mit. Sie kosten ja nicht viel und es ist ja für einen guten Zweck. Dann hat die Geschäftsleitung ihrer Firma auch noch ein paar Lose gekauft, um sie unter den Angestellten weiterzuverkaufen und beim Zigaretten kaufen nimmt man halt auch im Tabakladen noch eine Papeleta der "Vereinigung der Tabakhändler von Alicante" mit und schon ist man für den großen Tag der Ziehung bestens gerüstet. 

Am 22.12. jedes Jahr ist es dann soweit. Die Ziehung alleine ist schon so etwas von sehenswert! Vor der Ziehung, die jedes Jahr mit reger Beteiligung von "Live"-Publikum stattfindet, welches teilweise schon am Abend vorher ansteht, um bei der Ziehung dabei sein zu dürfen, hat jeder Besitzer eines Decimos das Recht, seine Losnummer auf der kleinen Holzkugel zu sehen, die geordnet nach den Nummern in Metallrahmen aufgespannt sind und dann in die große Ziehungstrommel wandern. Aus einer zweiten kleineren Lostrommel werden zu den Nummern die Preise gezogen. Diese Arbeit wird von ausgewählten Kindern der Schule San Ildefonso in Madrid, einem ehemaligen Waisenhaus, übernommen, die die Losnummern und den dazu gezogenen Gewinn dann singen dürfen. Diesen Gesang kann man mit absoluter Sicherheit an diesem Vormittag in fast allen Läden, Bars und Wohnungen Spaniens hören und ich könnte wetten, daß diese Veranstaltung, die natürlich auch live im Fernsehen zu sehen ist, Einschaltquoten hat, von der jeder Fernsehmacher nur träumen kann.

Was soll ich noch sagen? Unsere Erfolgsbilanz war recht bescheiden, denn wir hatten nur zwei Reintegros. Einen auf einem ganzen Zehntellos, also 20 Euro Einsatz retour und einen auf einem der Vereins-"Papeletas" mit zwei Euro Gewinn. Aber was sollen wir auch mit ein paar Millionen Euro?  Hauptsache ist doch wir sind gesund!

Aber am nächsten 22.12. sind wir dann vielleicht ja gesund und reich! Schau´n mer mal", hat eine deutsche Fußballgröße einmal gesagt...

Noch erwähnen muß ich, daß am 06.01. jedes Jahr noch einmal eine ähnliche Veranstaltung stattfindet: "El Niño", das Kind. Dabei ist allerdings die Gewinnausschüttung geringer und auch der Medienrummel ist nicht so groß und was das schlimmste dabei ist, auch hier sind wir in diesem Jahr nicht reich geworden. Naja ...  

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